Struwwelpeter in aller Welt
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Frau Wolf-Hauschild,
sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde des Struwwelpeter!
Es ist für meine Mutter und mich eine besondere Freude, im
Rahmen des 100-jährigen Jubiläums der Stadtbücherei
Heidelberg unsere Struwwelpeter Sammlung der Öffentlichkeit
vorzustellen und wir möchten uns hierfür herzlich bedanken.
Die Sammlung haben wir vor etwas mehr als 10 Jahren begonnen und
wir waren überrascht von der Fülle an Veröffentlichungen
und anderen Gegenständen rund um den Struwwelpeter.
Blicken wir nun zunächst zurück; wie ist der Struwwelpeter
entstanden, wer war sein geistiger Vater?
Und plötzlich sind wir in unserer Heimatstadt Heidelberg!
Aber lassen wir Heinrich Hoffmann selbst sprechen:
„Diesmal hatten wie einen Rückfahrtwagen in der „Goldenen
Gerste“ gefunden und den dicken Kutscher Fahrenbach aus Heidelberg.
Wir vier Frankfurter fuhren zusammen. Frühstück in Darmstadt.
Mittagessen in Heppenheim. Fütterung in Weinheim. Der alte,
unförmige, bücherschwere Holz- und Seehundsfellkoffer
wurde per Fuhre nachgesendet. […] Als wir bei Neuenheim die
Straßenbiegung herumfuhren und nun die Alma mater und das
stattliche Schloss vor uns lagen, da brachen wir in ein lautes Hurra
aus. Dann rasselten wir über die hochbogige Brücke und
stiegen in dem Prinzen Carl ab; es gab damals nur 2 oder 3 anständige
Gasthöfe in der Stadt. Noch spät abends wurde die Nachricht
der glücklichen Ankunft heimgeschrieben.“
So zog im Frühjahr 1829 der 20 jährige Medizinstudent
Heinrich Hoffmann in Heidelberg ein, wo er insgesamt 7 Semester
studierte. Von seiner Studienzeit, der Zimmersuche und seinen Studien
wissen wir so genau, weil Heinrich Hoffmann in seinen Lebenserinnerungen
ausführlich darüber berichtet. So findet sich darunter
auch ein Brief mit einem Bild seiner Kammer und dem Ausblick aus
derselben, den sie als Kopie in der Ausstellung sehen können.
Nach Abschluss seiner Studien in Halle und Paris kehrte Heinrich
Hoffmann nach Frankfurt zurück, wo er sich als Arzt niederließ.
Er nahm eine Stelle in der neugegründeten Armenklinik an; heiratete
1840 Therese Donner und wurde 1841 Vater des ersten Sohnes Carl.
Am 11. Dezember 1844 brachte seine Frau die Tochter Lina zur Welt
und in dieser Zeit suchte der nun zweifache Vater für seinen
Sohn ein Weihnachtsgeschenk.. Zwar fand er nach eigener Aussage
in den Buchläden allerlei Zeug, trefflich gezeichnet, glänzend
bemalt; …doch das alles gefiel ihm nicht. Denn was sollte
ein Kind davon haben, dass man ihm einen Tisch oder Stuhl abbildet?
So schrieb er in seinen Lebenserinnerungen:
„Das Kind lernt einfach nur durch das Auge […] mit moralischen
Vorschriften zumal weiß es gar nichts anzufangen. Die Mahnung:
Sei reinlich! Sei vorsichtig mit dem Feuerzeug und lass es liegen.
Sei folgsam! – das alles sind leere Worte für das Kind.
Aber das Abbild eines Schmutzfinken, des brennenden Kleides, des
verunglückenden Unvorsichtigen, das Anschauen allein erklärt
sich selbst und belehrt. Nicht umsonst sagt das Sprichwort: Gebrannter
Finger scheut das Feuer“
Also kehrte er nur mit einem leeren Schreibheft nach Hause zurück
und auf die verwunderte Frage seiner Frau antwortete er: „Da
will ich dem Jungen wohl selbst ein Bilderbuch herstellen“
Natürlich ist diese Schilderung der Entstehung, von Hoffmann
Jahrzehnte später selbst verfasst, wahrscheinlich nicht ganz
der Wahrheit entsprechend, aber die Intention wird wohl schon dieselbe
gewesen sein. So schrieb er also „Lustige Geschichten und
drollige Bilder“ für seinen Sohn Carl und las während
der Entstehung immer wieder seiner Frau daraus vor, die sich köstlich
amüsierte. Auf der letzten Seite, so die Überlieferung,
sollen dem Autor dann die Ideen ausgegangen sein und er malte nur
noch eine Figur, einen ungekämmten, langmähnigen Jungen
mit zum Himmel stehenden Fingernägeln, das Haar- und Nägel-Kind,
wie man in der Urschrift die durchgestrichene ursprüngliche
Bezeichnung entziffern kann.
Die Fähigkeit kleine Geschichten zu schreiben hatte er sich
unter anderem bei seinen Arztbesuchen bei Kindern erworben, die
bei seinem Anblick weinend, durch schnell hingezeichnete Bildchen
und Verse von diesem beruhigt werden konnten.
Dieses Heft also fand der dreijährige Carl 1844 unter dem
Weihnachtsbaum; nicht lange jedoch, dann fand im Frühjahr 1845
das Heft Einlass in einer Versammlung der Tutti Frutti; einem Zirkel
befreundeter Ärzte, Akademiker und sonst Kunstinteressierter,
erheiterte dort die durchwegs erwachsenen Mitglieder; darunter besonders
eines: den Buchhändler Löwensohn (später nannte er
sich Löning), der kurz zuvor mit seinem Freund J. Rütten
einen Verlag, die „Literarische Anstalt“ gegründet
hatte.
In heiterer Weinlaune erwiderte Hoffmann auf das Ansinnen Lönings,
er solle ihm das Buch geben, er (Löning) wolle es drucken,
„Meinetwegen. Geben Sie mir 80 Gulden und versuchen Sie ihr
Glück.“
Gesagt, getan, Löning nahm das Heft an sich und Hoffmann war
unversehens zum Jugendliterat geworden!
Nun darf man jedoch nicht annehmen, dass Hoffmann damit sein Werk
aus den Händen und damit aus seiner Verantwortung gegeben hätte.
Er überwachte genauestens die Zeichner und zeichnete jede Steinplatte
eigenhändig ab. Auch gab er den jungen und unerfahrenen Verlegern
Tips über den Preis und die Beschaffenheit des Buches. Von
der ersten Auflage „Lustige Geschichten und drollige Bilder“
wurden 1500 Stück hergestellt.
Diese erste Ausgabe enthielt noch längst nicht alle uns heute
bekannten Geschichten und auch der Struwwelpeter taucht weder im
Titel noch als erste Geschichte auf, sondern erst auf dem letzten
Blatt. Auch verzichtete Heinrich Hoffmann auf die Nennung seines
Namens als Autor – wohl fürchtete er um seinen guten
Ruf als Arzt – , denn es heißt am Ende schlicht:
„das Alles malte fein und schrieb
der lustige Reimerich Kinderlieb“
Nach 4 Wochen war die erste Auflage ausverkauft, erst jetzt wurde
ein förmlicher Vertrag mit dem Verlag gemacht. In der zweiten
Auflage kamen noch die Geschichten von Paulinchen und Zappelphilipp
dazu, allein der Struwwelpeter blieb immer noch auf dem letzten
Blatt
Bis zur 4. Auflage blieb ; obwohl die Kinder schon jetzt eher nach
dem „Struwwelpeter“ als nach den „Lustigen Geschichten
und drolligen Bildern“ verlangten, der Struwwelpeter am Ende
des Buches;
erst ab der 5. Auflage (1847), erscheint der „Struwwelpeter“
als Titel und am Anfang jetzt aller Geschichten; hinzugekommen waren
noch „Hanns Guck in die Luft“ und der „Fliegende
Robert“. Und erst jetzt bekannte sich Heinrich Hoffmann namentlich
als Autor.
Der Erfolg des struwweligen Gesellen war nicht mehr aufzuhalten.
Um die erhöhten Stückzahlen noch drucken zu können,
stieg der Verlag vom Verfahren der Lithographie auf den Holzschnitt
um, für dieses Verfahren zeichnete Heinrich Hoffmann 1858 eine
neue Fassung (28. Auflage); es ist die, die wir auch heute noch
kennen! Allerdings der Titelheld sah nochmals anders aus, wohl nicht
dem Zeitgeschmack entsprechend, denn schon 3 Auflagen später
zierte der heute bekannte – von Hoffmann ein drittes Mal gezeichnete
- Struwwelpeter das Titelblatt.
Natürlich war auch anderen Verlagen der unbeschreibliche Erfolg
des Struwwelpeter nicht verborgen geblieben und so gab es die verschiedensten
Versuche des illegalen oder legalen Nachdrucks, besonders mit dem
Scholz-Verlag in Mainz musste die Literarische Anstalt mehrere Prozesse
führen. Zwar blieb in Deutschland so das Geschäft bis
1925 in der Hand des Rütten & Löning Verlages, aber
der Druck im Ausland war damals noch nicht geregelt.
So erschien schon im Jahre 1847 die erste Übersetzung –
ins Dänische „Den store Bastian“- . Als „Piet
de smerpoets“ erschienen dann im folgenden Jahre eine niederländische
und – von der Literarischen Anstalt in Auftrag gegebene –
eine englische Übersetzung
„The English Struwwelpeter or pretty stories and funny pictures
for little children“.
„Just look at him! There he stands,
With his nasty hair and hands.
See! His nails are never cut;
They are grim’d as black as soot;
And the sloven, I declare,
Never once has comb’d his hair;
Any thing to me is sweeter
Than to see Shock-headed Peter.
1857 erschien in Russland ein Ausgabe unter dem Titel: „Stepka
Rastrepka“ Dies war beileibe keine einfache Übersetzung,
nein der Autor hatte sich die Mühe einer Neuzeichnung und Adaption
in die russische Welt gemacht. Von dieser gänzlich eigenständigen
russischen Übersetzung hatte Heinrich Hoffmann nachweislich
ein Exemplar.
Während in Deutschland die Auflagenzahlen immer weiter stiegen;
1876 war schon die 100. Auflage mit einer Jubiläumsausgabe
gefeiert worden; breitete sich der Struwwelpeter auch im Ausland
unaufhaltsam weiter aus.
„Pierre l’Ebouriffé“ nannten ihn schon
1860 die Franzosen, die Ausgabe der Librairie Fischbacher aus Paris,
die Sie in der Ausstellung sehen können, verwendete die vorhin
erwähnte seltene zweite Struwwelpeterfigur als Titelbild.
Aber auch hier wurden die Bilder behutsam dem französischen
Zeitgeschmack angepasst: In der „L’Histoire des enfants
noirs“ trägt Gaspard keine Brezel, sondern ein typisch
französisches Gebäck, eine Galette und Louis schwenkt
die Tricolore. Aber es hilft ihnen nichts, am Ende der Geschichte
heisst es auch für sie:
„A présent, voyez sur l’image!
Ils sont plus noirs que du cirage.
Voyez! Le negre va devant,
Les enfants tout noirs le suivant.
Et les voilà devenus pire
Que le noir qui les faisait rire.”
1881 erschien die erste italienische Übersetzung von Gaetano
Negri – einem Senator - in Mailand. Dass dem Struwwelpeter
in Italien, dem „Pierino Porcospino“ kein großer
Erfolg wie in anderen Ländern beschieden war mag an einem anderen
Bestseller liegen, der just im gleichen Jahr erschienen war: Collodi’s
Pinocchio!
Die Schweden kannten das Buch unter dem Titel: „Julbocken
eller Pelle Snusk“, in Finnland wurde er als „Jörö-Jukka“
bekannt und beliebt. Auch in Norwegen trieb er ziemlich früh
als „Busteper“ sein Unwesen.
Durch die frühe englische Übersetzung war der Struwwelpeter
auch um die Jahrhundertwende schon in den Vereinigten Staaten veröffentlicht
worden.
Eine der bekanntesten Übersetzungen stammt von Samuel Clemens
Longhorn. Er lernte den 1891 schon zum Bestseller gewordenen Struwwelpeter
– inzwischen waren fast 200 Auflagen erschienen – bei
seiner Reise durch Deutschland kennen und im Rahmen seines Büchleins
„The awfull german language“ fertigte er eine neue Übersetzung
an, die er seinen 3 Töchtern zum Weihnachtsfest schenkte. Veröffentlicht
wurde sie aber erstmals 1935. Natürlich haben Sie längst
erkannt, wer der prominente Übersetzer war: kein geringerer
als Mark Twain!
In Spanien erschien er zwar schon Ende des 19.Jahrhunderts als
„Juan el desgrenado“, erstaunlicherweise in Paris herausgegeben,
jedoch ist die 1980 erschienene Neudichtung und –zeichnung
„Pedrito el grenoso“ mit weitaus sympathischeren Protagonisten
heute die bekanntere. Wenn Sie ihn nachher in der Ausstellung entdecken,
werden Sie mir zustimmen; dass man diesem kleinen Kerl nicht böse
sein kann.
1887 erblickte eine neue Sprache das Licht der Welt: Esperanto!
Sie ahnen es schon, als "Il Struvelpetro" ist der Struwwelpeter
seit 1921 für alle Welt verständlich.
Auch die japanische Übersetzung von 1936 hatte einen deutschen
Hintergrund: der Übersetzer, ein japanischer Offizier, hatte
in Deutschland studiert und dort den haarigen Gesellen kennen gelernt.
Auch er übersetzte ihn für seinen 3jährigen Sohn
zu Weihnachten und auch er scheute zuerst die Autorenschaft, so
dass die erste Ausgabe" Bobo Atama" unter Pseudonym erschien.
Heinrich Hoffmann erlebte den Erfolg seines Buches im Ausland noch
zu Lebzeiten mit und er zog das Resümee:
„Ja, ich kann mir mit Befriedigung sagen, der Schlingel hat
sich die Welt erobert, ganz friedlich, ohne Blutvergießen,
und die bösen Buben sind weiter auf der Welt herumgekommen
als ich.“
Es würde den Rahmen heute sprengen, wollte ich alle Übersetzungen
anführen, lassen Sie sich nachher einfach überraschen,
welche Sprachen Sie noch finden!
In kürzester Zeit war der Struwwelpeter also so populär,
dass er bald als Symbol für Ungehorsam und Revolutionäres
stand. So dauerte es nicht lange, bis die ersten Varianten, Neudichtungen
oder Neuzeichnungen, die sogenannten Struwwelpetriaden herauskamen.
So erschien zum Beispiel 1899 in England ein „Political Struwwelpeter“,
der nur die Mißstände in der englischen Politik zum Thema
hatte. Statt des Struwwelpeters steht der englische Löwe auf
dem Podest; Sie können ihn auch auf dem Plakat erkennen.
Aber nicht nur im Ausland erfuhr der Struwwelpeter so manche Wandlung:
So wurde ihm zum Beispiel 1896 schon eine Struwwel-Liese zur Seite
gestellt, gleichsam ein frühes Zeugnis der Emanzipation, wie
im Vorspruch zu lesen ist:
„Ich komm’ mit geröteten Wangen,
in Euer gastliches Haus,
Ein Mägdelein, schüchtern befangen,
Und bitte: Lacht mich nicht aus!
Es hat mich immer verdrossen
Daß vom Struwwelpeter es hieß:
Den hat man ins Herz geschlossen
Und nicht auch die Struwwellies’
D’rum, wenn in den Kinderstuben
Der Weihnachtsmann tritt herein,
Der „Peter“ gehört den Buben,
Das „Liesel“ den Mägdelein“
Aber es gab auch zahlreiche Bemühungen, die Zeichnungen dem
Zeitgeschmack anzupassen; so zeichnete 1956 der Michelstädter
Künstler Fritz Kredel den Struwwelpeter für die lateinische
Übersetzung „Petrulus hirrutus“ neu. Auch im Ausland
erschienene neuere Übersetzungen wurden of neugezeichnet, so
zu sehen bei der Schweizer Ausgabe.
Es kamen jedoch auch Petriaden heraus, die ein Gegengewicht zur
Abschreckungspädagogik des Struwwelpeters darstellen wollten,
in dem 1947 erschienenen „Und noch einmal Struwwelpeter“
wird das Verhalten der Eltern für das der Kinder verantwortlich
gemacht Der auch heute noch bekannteste ist wohl der Anti-Struwwelpeter
von Karl Wächter von 1970.
Die längste Tradition haben aber wohl die politischen Struwwelpetriaden,
wurde schon in der 1848er Revolution der Struwwelpeter in verschiedenen
Flugblätter adaptiert, zu Kriegszeiten, sowohl während
des ersten als auch des zweiten Weltkriegs erschienen Bücher,
die einerseits das deutsche Kaiserreich und das Hitlerreich (Swollen
headed William und Struwwelhitler) und im Gegenzug die Entente-Mächte
(Kriegsstruwwelpeter) zum Thema hatten. Sie werden sie friedlich
vereint nachher bestaunen können.
Aber auch in den Siebzigern war der Struwwelpeter politisch en
vogue, ich möchte nur kurz aus dem „Struwwelpeter neu
frisiert“ von 1969 zitieren.
Der Ulbericht, der Ulbericht,
das war ein arger Bösewicht!
Er schlug in seiner blinden Wut
Den deutschen Einheitsthron kaputt,
den Bundesadler rupfte er
und störte den Berlinverkehr.
Und höret nur, was noch geschah:
Er peitschte selbst Freund Svoboda!
….und am Ende bekommt er die Ostblock-Arzenei vom Kreml-Doktor!
Und auch heutzutage kann man ihn noch in der Politik finden; das
letzte Mal trieb er als Zappel-Edmund in der TAZ Oktober 2005 sein
Unwesen.
Doch längst beschränkte sich das Erscheinen des haarigen
Gesellen nicht mehr nur auf Bücher.
Die Werbewelt entdeckte den Struwwelpeter als Transporteur verschiedenster
Werbebotschaften; als Beispiel möchte ich nur die Anstecknadeln
des Winterhilfswerks im 2. Weltkrieg oder die Werbebeigabe der Firma
Hoffmann nennen, die ihrer Ricena-Stärke einzelne Blätter
beigab, die vollständig gesammelt den Struwwelpeter ergaben.
Aber auch für Pharmazeutika, Verbandszeug und seit 1996 auch
für die Deutsche Bahn ist der Struwwelpeter unterwegs.
Nicht zu vergessen sind die zahlreichen Vertonungen, die erste
stammt von Alexander Hußla, einem russischen Kappellmeister
aus dem Jahr 1890, zahlreiche weitere folgten;
Sie haben heute das Vergnügen, Kostproben aus der „Struwwelpeter-Kantate“
von Kurt Hessenberg, einem Urenkel Heinrich Hoffmanns, dargeboten
vom Kinder- und Jugendchor Heidelberg, zu hören.
Der Struwwelpeter war von Anfang an umstritten, so gab es schon
in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts Warnungen vor dem verderblichen
Einfluss des Struwwelpeters auf die Kinder und auch heute ist die
Fachwelt noch in zwei Lager gespalten - so gibt es bis heute zahlreiche
pädagogische und psychologische Abhandlungen über den
Nutzen oder Schaden für die Kinder. Auf diese Problematik möchte
ich nicht weiter eingehen, nur eines dazu: Heinrich Hoffmann wollte
bewusst die Überzeichnung in seinen Geschichten, er wollte
den Kindern klarmachen, dass kleine Ursachen oft große Auswirkungen
haben können und sie sich davor hüten sollten.
Trotz aller Widerstände: der Struwwelpeter ist doch noch immer
eines der ersten Bilderbücher, das ein Kind kennen lernt .Und
auch heute wird er wieder in der Schule eingesetzt, trotz aller
Unkenrufe!
Zum 150jährigen Jubiläum des Struwwelpeters 1995 kam
ein neuer, bis heute anhaltender Trend auf: für manchen durchaus
genauso unverständlich wie ein Fremdsprache; erfreuen sich
die Dialekte wieder mehr Beliebtheit Natürlich entdeckte man
den Struwwelpeter als ideale Figur und so gibt es inzwischen zahlreiche
regionale Ausgaben. Denn auch in unseren Breiten gilt an Weihnachten:
"Wann die kinner schää barieren,
Lieb sin un net dischbedieren,
Wann se brav ehr Supp allessen
Un die Brotkruscht net vergessen,
"Wenn se fleißich s Göschle halded,
D Händ schee wäsched, zammafalded,
Uff dr Gaß feschd d Mamma heba-
Sausch uff d Schdroß, noo koschds des Leba! -
Send se so, noo kommd der Bsuach,
Brengd a Exdrabilderbuach."
Ich bin sicher, Sie werden auch einen Dialekt aus Ihrer Heimatgegend
entdecken.
Den hundertsten Todestag Heinrich Hoffmanns 1994 nahm auch die
deutsche Bundespost zum Anlass, im Rahmen der Serie „Für
die Jugend“ Briefmarken mit den Struwwelpetermotiven herauszugeben,
auch Telefonkarten wurden herausgebracht.
Als im Jahr 1925 das Urheberrecht für den Struwwelpeter in
Deutschland auslief, lag die Auflagenzahl ungefähr bei 560,
ganz genau kann man das heute nicht mehr nachvollziehen.
Ab da aber war er gemeinfrei so dass nun „endlich“ die
anderen Verlage auf diesen Erfolgszug aufspringen konnten. Die ersten
waren Scholz in Mainz, Schreiber in Esslingen und Anton in Leipzig.
Unzählige Verlage sind bis heute dazugekommen.
So ist bis heute eine unübersehbare Anzahl an Ausgaben und
Auflagen erschienen, dies sich groben Schätzungen nach auf
ungefähr 80 Millionen Exemplare beläuft.
Und noch immer erscheinen neue Ausgaben. So ist erst 2004 eine
Übersetzung in das Wendische und Sorbische erschienen. Und
dieses Jahr hat er sich jetzt auch die Welt des Sports erobert,
wie der vor wenigen Monaten erschienene „WM-Peter“ beweist.
Freuen wir uns daher über den Struwwelpeter und seine zahlreichen
Gesellen. Möge er auch in dieser Ausstellung neue Freunde gewinnen.
Am Vorabend von Heinrich Hoffmanns 112. Todestag möchte ich
Sie herzlich einladen: Lassen Sie sich von Struwwelpeter an die
Hand nehmen und auf eine kleine Weltreise durch die Sammlung entführen.
Ich danke Ihnen
|