Katrins Bücher Welt

Struwwelpeter-Sammlung

Vortrag anlässlich der Vernissage der Austellung
"Struwwelpeter in aller Welt"

am 19. Sept. 2006 in der Stadtbücherei Heidelberg

Struwwelpeter in aller Welt

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Frau Wolf-Hauschild, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde des Struwwelpeter!

Es ist für meine Mutter und mich eine besondere Freude, im Rahmen des 100-jährigen Jubiläums der Stadtbücherei Heidelberg unsere Struwwelpeter Sammlung der Öffentlichkeit vorzustellen und wir möchten uns hierfür herzlich bedanken. Die Sammlung haben wir vor etwas mehr als 10 Jahren begonnen und wir waren überrascht von der Fülle an Veröffentlichungen und anderen Gegenständen rund um den Struwwelpeter.

Blicken wir nun zunächst zurück; wie ist der Struwwelpeter entstanden, wer war sein geistiger Vater?

Und plötzlich sind wir in unserer Heimatstadt Heidelberg!
Aber lassen wir Heinrich Hoffmann selbst sprechen:

„Diesmal hatten wie einen Rückfahrtwagen in der „Goldenen Gerste“ gefunden und den dicken Kutscher Fahrenbach aus Heidelberg. Wir vier Frankfurter fuhren zusammen. Frühstück in Darmstadt. Mittagessen in Heppenheim. Fütterung in Weinheim. Der alte, unförmige, bücherschwere Holz- und Seehundsfellkoffer wurde per Fuhre nachgesendet. […] Als wir bei Neuenheim die Straßenbiegung herumfuhren und nun die Alma mater und das stattliche Schloss vor uns lagen, da brachen wir in ein lautes Hurra aus. Dann rasselten wir über die hochbogige Brücke und stiegen in dem Prinzen Carl ab; es gab damals nur 2 oder 3 anständige Gasthöfe in der Stadt. Noch spät abends wurde die Nachricht der glücklichen Ankunft heimgeschrieben.“

So zog im Frühjahr 1829 der 20 jährige Medizinstudent Heinrich Hoffmann in Heidelberg ein, wo er insgesamt 7 Semester studierte. Von seiner Studienzeit, der Zimmersuche und seinen Studien wissen wir so genau, weil Heinrich Hoffmann in seinen Lebenserinnerungen ausführlich darüber berichtet. So findet sich darunter auch ein Brief mit einem Bild seiner Kammer und dem Ausblick aus derselben, den sie als Kopie in der Ausstellung sehen können.
Nach Abschluss seiner Studien in Halle und Paris kehrte Heinrich Hoffmann nach Frankfurt zurück, wo er sich als Arzt niederließ. Er nahm eine Stelle in der neugegründeten Armenklinik an; heiratete 1840 Therese Donner und wurde 1841 Vater des ersten Sohnes Carl.

Am 11. Dezember 1844 brachte seine Frau die Tochter Lina zur Welt und in dieser Zeit suchte der nun zweifache Vater für seinen Sohn ein Weihnachtsgeschenk.. Zwar fand er nach eigener Aussage in den Buchläden allerlei Zeug, trefflich gezeichnet, glänzend bemalt; …doch das alles gefiel ihm nicht. Denn was sollte ein Kind davon haben, dass man ihm einen Tisch oder Stuhl abbildet?

So schrieb er in seinen Lebenserinnerungen:
„Das Kind lernt einfach nur durch das Auge […] mit moralischen Vorschriften zumal weiß es gar nichts anzufangen. Die Mahnung: Sei reinlich! Sei vorsichtig mit dem Feuerzeug und lass es liegen. Sei folgsam! – das alles sind leere Worte für das Kind. Aber das Abbild eines Schmutzfinken, des brennenden Kleides, des verunglückenden Unvorsichtigen, das Anschauen allein erklärt sich selbst und belehrt. Nicht umsonst sagt das Sprichwort: Gebrannter Finger scheut das Feuer“

Also kehrte er nur mit einem leeren Schreibheft nach Hause zurück und auf die verwunderte Frage seiner Frau antwortete er: „Da will ich dem Jungen wohl selbst ein Bilderbuch herstellen“

Natürlich ist diese Schilderung der Entstehung, von Hoffmann Jahrzehnte später selbst verfasst, wahrscheinlich nicht ganz der Wahrheit entsprechend, aber die Intention wird wohl schon dieselbe gewesen sein. So schrieb er also „Lustige Geschichten und drollige Bilder“ für seinen Sohn Carl und las während der Entstehung immer wieder seiner Frau daraus vor, die sich köstlich amüsierte. Auf der letzten Seite, so die Überlieferung, sollen dem Autor dann die Ideen ausgegangen sein und er malte nur noch eine Figur, einen ungekämmten, langmähnigen Jungen mit zum Himmel stehenden Fingernägeln, das Haar- und Nägel-Kind, wie man in der Urschrift die durchgestrichene ursprüngliche Bezeichnung entziffern kann.

Die Fähigkeit kleine Geschichten zu schreiben hatte er sich unter anderem bei seinen Arztbesuchen bei Kindern erworben, die bei seinem Anblick weinend, durch schnell hingezeichnete Bildchen und Verse von diesem beruhigt werden konnten.

Dieses Heft also fand der dreijährige Carl 1844 unter dem Weihnachtsbaum; nicht lange jedoch, dann fand im Frühjahr 1845 das Heft Einlass in einer Versammlung der Tutti Frutti; einem Zirkel befreundeter Ärzte, Akademiker und sonst Kunstinteressierter, erheiterte dort die durchwegs erwachsenen Mitglieder; darunter besonders eines: den Buchhändler Löwensohn (später nannte er sich Löning), der kurz zuvor mit seinem Freund J. Rütten einen Verlag, die „Literarische Anstalt“ gegründet hatte.
In heiterer Weinlaune erwiderte Hoffmann auf das Ansinnen Lönings, er solle ihm das Buch geben, er (Löning) wolle es drucken, „Meinetwegen. Geben Sie mir 80 Gulden und versuchen Sie ihr Glück.“
Gesagt, getan, Löning nahm das Heft an sich und Hoffmann war unversehens zum Jugendliterat geworden!

Nun darf man jedoch nicht annehmen, dass Hoffmann damit sein Werk aus den Händen und damit aus seiner Verantwortung gegeben hätte. Er überwachte genauestens die Zeichner und zeichnete jede Steinplatte eigenhändig ab. Auch gab er den jungen und unerfahrenen Verlegern Tips über den Preis und die Beschaffenheit des Buches. Von der ersten Auflage „Lustige Geschichten und drollige Bilder“ wurden 1500 Stück hergestellt.
Diese erste Ausgabe enthielt noch längst nicht alle uns heute bekannten Geschichten und auch der Struwwelpeter taucht weder im Titel noch als erste Geschichte auf, sondern erst auf dem letzten Blatt. Auch verzichtete Heinrich Hoffmann auf die Nennung seines Namens als Autor – wohl fürchtete er um seinen guten Ruf als Arzt – , denn es heißt am Ende schlicht:

„das Alles malte fein und schrieb
der lustige Reimerich Kinderlieb“

Nach 4 Wochen war die erste Auflage ausverkauft, erst jetzt wurde ein förmlicher Vertrag mit dem Verlag gemacht. In der zweiten Auflage kamen noch die Geschichten von Paulinchen und Zappelphilipp dazu, allein der Struwwelpeter blieb immer noch auf dem letzten Blatt
Bis zur 4. Auflage blieb ; obwohl die Kinder schon jetzt eher nach dem „Struwwelpeter“ als nach den „Lustigen Geschichten und drolligen Bildern“ verlangten, der Struwwelpeter am Ende des Buches;
erst ab der 5. Auflage (1847), erscheint der „Struwwelpeter“ als Titel und am Anfang jetzt aller Geschichten; hinzugekommen waren noch „Hanns Guck in die Luft“ und der „Fliegende Robert“. Und erst jetzt bekannte sich Heinrich Hoffmann namentlich als Autor.

Der Erfolg des struwweligen Gesellen war nicht mehr aufzuhalten. Um die erhöhten Stückzahlen noch drucken zu können, stieg der Verlag vom Verfahren der Lithographie auf den Holzschnitt um, für dieses Verfahren zeichnete Heinrich Hoffmann 1858 eine neue Fassung (28. Auflage); es ist die, die wir auch heute noch kennen! Allerdings der Titelheld sah nochmals anders aus, wohl nicht dem Zeitgeschmack entsprechend, denn schon 3 Auflagen später zierte der heute bekannte – von Hoffmann ein drittes Mal gezeichnete - Struwwelpeter das Titelblatt.
Natürlich war auch anderen Verlagen der unbeschreibliche Erfolg des Struwwelpeter nicht verborgen geblieben und so gab es die verschiedensten Versuche des illegalen oder legalen Nachdrucks, besonders mit dem Scholz-Verlag in Mainz musste die Literarische Anstalt mehrere Prozesse führen. Zwar blieb in Deutschland so das Geschäft bis 1925 in der Hand des Rütten & Löning Verlages, aber der Druck im Ausland war damals noch nicht geregelt.

So erschien schon im Jahre 1847 die erste Übersetzung – ins Dänische „Den store Bastian“- . Als „Piet de smerpoets“ erschienen dann im folgenden Jahre eine niederländische und – von der Literarischen Anstalt in Auftrag gegebene – eine englische Übersetzung
„The English Struwwelpeter or pretty stories and funny pictures for little children“.

„Just look at him! There he stands,
With his nasty hair and hands.
See! His nails are never cut;
They are grim’d as black as soot;
And the sloven, I declare,
Never once has comb’d his hair;
Any thing to me is sweeter
Than to see Shock-headed Peter.

1857 erschien in Russland ein Ausgabe unter dem Titel: „Stepka Rastrepka“ Dies war beileibe keine einfache Übersetzung, nein der Autor hatte sich die Mühe einer Neuzeichnung und Adaption in die russische Welt gemacht. Von dieser gänzlich eigenständigen russischen Übersetzung hatte Heinrich Hoffmann nachweislich ein Exemplar.

Während in Deutschland die Auflagenzahlen immer weiter stiegen; 1876 war schon die 100. Auflage mit einer Jubiläumsausgabe gefeiert worden; breitete sich der Struwwelpeter auch im Ausland unaufhaltsam weiter aus.
„Pierre l’Ebouriffé“ nannten ihn schon 1860 die Franzosen, die Ausgabe der Librairie Fischbacher aus Paris, die Sie in der Ausstellung sehen können, verwendete die vorhin erwähnte seltene zweite Struwwelpeterfigur als Titelbild.
Aber auch hier wurden die Bilder behutsam dem französischen Zeitgeschmack angepasst: In der „L’Histoire des enfants noirs“ trägt Gaspard keine Brezel, sondern ein typisch französisches Gebäck, eine Galette und Louis schwenkt die Tricolore. Aber es hilft ihnen nichts, am Ende der Geschichte heisst es auch für sie:
„A présent, voyez sur l’image!
Ils sont plus noirs que du cirage.
Voyez! Le negre va devant,
Les enfants tout noirs le suivant.
Et les voilà devenus pire
Que le noir qui les faisait rire.”

1881 erschien die erste italienische Übersetzung von Gaetano Negri – einem Senator - in Mailand. Dass dem Struwwelpeter in Italien, dem „Pierino Porcospino“ kein großer Erfolg wie in anderen Ländern beschieden war mag an einem anderen Bestseller liegen, der just im gleichen Jahr erschienen war: Collodi’s Pinocchio!
Die Schweden kannten das Buch unter dem Titel: „Julbocken eller Pelle Snusk“, in Finnland wurde er als „Jörö-Jukka“ bekannt und beliebt. Auch in Norwegen trieb er ziemlich früh als „Busteper“ sein Unwesen.

Durch die frühe englische Übersetzung war der Struwwelpeter auch um die Jahrhundertwende schon in den Vereinigten Staaten veröffentlicht worden.
Eine der bekanntesten Übersetzungen stammt von Samuel Clemens Longhorn. Er lernte den 1891 schon zum Bestseller gewordenen Struwwelpeter – inzwischen waren fast 200 Auflagen erschienen – bei seiner Reise durch Deutschland kennen und im Rahmen seines Büchleins „The awfull german language“ fertigte er eine neue Übersetzung an, die er seinen 3 Töchtern zum Weihnachtsfest schenkte. Veröffentlicht wurde sie aber erstmals 1935. Natürlich haben Sie längst erkannt, wer der prominente Übersetzer war: kein geringerer als Mark Twain!

In Spanien erschien er zwar schon Ende des 19.Jahrhunderts als „Juan el desgrenado“, erstaunlicherweise in Paris herausgegeben, jedoch ist die 1980 erschienene Neudichtung und –zeichnung „Pedrito el grenoso“ mit weitaus sympathischeren Protagonisten heute die bekanntere. Wenn Sie ihn nachher in der Ausstellung entdecken, werden Sie mir zustimmen; dass man diesem kleinen Kerl nicht böse sein kann.


1887 erblickte eine neue Sprache das Licht der Welt: Esperanto! Sie ahnen es schon, als "Il Struvelpetro" ist der Struwwelpeter seit 1921 für alle Welt verständlich.

Auch die japanische Übersetzung von 1936 hatte einen deutschen Hintergrund: der Übersetzer, ein japanischer Offizier, hatte in Deutschland studiert und dort den haarigen Gesellen kennen gelernt. Auch er übersetzte ihn für seinen 3jährigen Sohn zu Weihnachten und auch er scheute zuerst die Autorenschaft, so dass die erste Ausgabe" Bobo Atama" unter Pseudonym erschien.

Heinrich Hoffmann erlebte den Erfolg seines Buches im Ausland noch zu Lebzeiten mit und er zog das Resümee:
„Ja, ich kann mir mit Befriedigung sagen, der Schlingel hat sich die Welt erobert, ganz friedlich, ohne Blutvergießen, und die bösen Buben sind weiter auf der Welt herumgekommen als ich.“

Es würde den Rahmen heute sprengen, wollte ich alle Übersetzungen anführen, lassen Sie sich nachher einfach überraschen, welche Sprachen Sie noch finden!

In kürzester Zeit war der Struwwelpeter also so populär, dass er bald als Symbol für Ungehorsam und Revolutionäres stand. So dauerte es nicht lange, bis die ersten Varianten, Neudichtungen oder Neuzeichnungen, die sogenannten Struwwelpetriaden herauskamen.
So erschien zum Beispiel 1899 in England ein „Political Struwwelpeter“, der nur die Mißstände in der englischen Politik zum Thema hatte. Statt des Struwwelpeters steht der englische Löwe auf dem Podest; Sie können ihn auch auf dem Plakat erkennen.

Aber nicht nur im Ausland erfuhr der Struwwelpeter so manche Wandlung:

So wurde ihm zum Beispiel 1896 schon eine Struwwel-Liese zur Seite gestellt, gleichsam ein frühes Zeugnis der Emanzipation, wie im Vorspruch zu lesen ist:

„Ich komm’ mit geröteten Wangen,
in Euer gastliches Haus,
Ein Mägdelein, schüchtern befangen,
Und bitte: Lacht mich nicht aus!
Es hat mich immer verdrossen
Daß vom Struwwelpeter es hieß:
Den hat man ins Herz geschlossen
Und nicht auch die Struwwellies’
D’rum, wenn in den Kinderstuben
Der Weihnachtsmann tritt herein,
Der „Peter“ gehört den Buben,
Das „Liesel“ den Mägdelein“

Aber es gab auch zahlreiche Bemühungen, die Zeichnungen dem Zeitgeschmack anzupassen; so zeichnete 1956 der Michelstädter Künstler Fritz Kredel den Struwwelpeter für die lateinische Übersetzung „Petrulus hirrutus“ neu. Auch im Ausland erschienene neuere Übersetzungen wurden of neugezeichnet, so zu sehen bei der Schweizer Ausgabe.

Es kamen jedoch auch Petriaden heraus, die ein Gegengewicht zur Abschreckungspädagogik des Struwwelpeters darstellen wollten, in dem 1947 erschienenen „Und noch einmal Struwwelpeter“ wird das Verhalten der Eltern für das der Kinder verantwortlich gemacht Der auch heute noch bekannteste ist wohl der Anti-Struwwelpeter von Karl Wächter von 1970.

Die längste Tradition haben aber wohl die politischen Struwwelpetriaden, wurde schon in der 1848er Revolution der Struwwelpeter in verschiedenen Flugblätter adaptiert, zu Kriegszeiten, sowohl während des ersten als auch des zweiten Weltkriegs erschienen Bücher, die einerseits das deutsche Kaiserreich und das Hitlerreich (Swollen headed William und Struwwelhitler) und im Gegenzug die Entente-Mächte (Kriegsstruwwelpeter) zum Thema hatten. Sie werden sie friedlich vereint nachher bestaunen können.

Aber auch in den Siebzigern war der Struwwelpeter politisch en vogue, ich möchte nur kurz aus dem „Struwwelpeter neu frisiert“ von 1969 zitieren.

Der Ulbericht, der Ulbericht,
das war ein arger Bösewicht!
Er schlug in seiner blinden Wut
Den deutschen Einheitsthron kaputt,
den Bundesadler rupfte er
und störte den Berlinverkehr.
Und höret nur, was noch geschah:
Er peitschte selbst Freund Svoboda!

….und am Ende bekommt er die Ostblock-Arzenei vom Kreml-Doktor!

Und auch heutzutage kann man ihn noch in der Politik finden; das letzte Mal trieb er als Zappel-Edmund in der TAZ Oktober 2005 sein Unwesen.

Doch längst beschränkte sich das Erscheinen des haarigen Gesellen nicht mehr nur auf Bücher.
Die Werbewelt entdeckte den Struwwelpeter als Transporteur verschiedenster Werbebotschaften; als Beispiel möchte ich nur die Anstecknadeln des Winterhilfswerks im 2. Weltkrieg oder die Werbebeigabe der Firma Hoffmann nennen, die ihrer Ricena-Stärke einzelne Blätter beigab, die vollständig gesammelt den Struwwelpeter ergaben. Aber auch für Pharmazeutika, Verbandszeug und seit 1996 auch für die Deutsche Bahn ist der Struwwelpeter unterwegs.

Nicht zu vergessen sind die zahlreichen Vertonungen, die erste stammt von Alexander Hußla, einem russischen Kappellmeister aus dem Jahr 1890, zahlreiche weitere folgten;
Sie haben heute das Vergnügen, Kostproben aus der „Struwwelpeter-Kantate“ von Kurt Hessenberg, einem Urenkel Heinrich Hoffmanns, dargeboten vom Kinder- und Jugendchor Heidelberg, zu hören.

Der Struwwelpeter war von Anfang an umstritten, so gab es schon in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts Warnungen vor dem verderblichen Einfluss des Struwwelpeters auf die Kinder und auch heute ist die Fachwelt noch in zwei Lager gespalten - so gibt es bis heute zahlreiche pädagogische und psychologische Abhandlungen über den Nutzen oder Schaden für die Kinder. Auf diese Problematik möchte ich nicht weiter eingehen, nur eines dazu: Heinrich Hoffmann wollte bewusst die Überzeichnung in seinen Geschichten, er wollte den Kindern klarmachen, dass kleine Ursachen oft große Auswirkungen haben können und sie sich davor hüten sollten.
Trotz aller Widerstände: der Struwwelpeter ist doch noch immer eines der ersten Bilderbücher, das ein Kind kennen lernt .Und auch heute wird er wieder in der Schule eingesetzt, trotz aller Unkenrufe!

Zum 150jährigen Jubiläum des Struwwelpeters 1995 kam ein neuer, bis heute anhaltender Trend auf: für manchen durchaus genauso unverständlich wie ein Fremdsprache; erfreuen sich die Dialekte wieder mehr Beliebtheit Natürlich entdeckte man den Struwwelpeter als ideale Figur und so gibt es inzwischen zahlreiche regionale Ausgaben. Denn auch in unseren Breiten gilt an Weihnachten:

"Wann die kinner schää barieren,
Lieb sin un net dischbedieren,
Wann se brav ehr Supp allessen
Un die Brotkruscht net vergessen,
"Wenn se fleißich s Göschle halded,
D Händ schee wäsched, zammafalded,
Uff dr Gaß feschd d Mamma heba-
Sausch uff d Schdroß, noo koschds des Leba! -
Send se so, noo kommd der Bsuach,
Brengd a Exdrabilderbuach."

Ich bin sicher, Sie werden auch einen Dialekt aus Ihrer Heimatgegend entdecken.

Den hundertsten Todestag Heinrich Hoffmanns 1994 nahm auch die deutsche Bundespost zum Anlass, im Rahmen der Serie „Für die Jugend“ Briefmarken mit den Struwwelpetermotiven herauszugeben, auch Telefonkarten wurden herausgebracht.

Als im Jahr 1925 das Urheberrecht für den Struwwelpeter in Deutschland auslief, lag die Auflagenzahl ungefähr bei 560, ganz genau kann man das heute nicht mehr nachvollziehen.
Ab da aber war er gemeinfrei so dass nun „endlich“ die anderen Verlage auf diesen Erfolgszug aufspringen konnten. Die ersten waren Scholz in Mainz, Schreiber in Esslingen und Anton in Leipzig. Unzählige Verlage sind bis heute dazugekommen.

So ist bis heute eine unübersehbare Anzahl an Ausgaben und Auflagen erschienen, dies sich groben Schätzungen nach auf ungefähr 80 Millionen Exemplare beläuft.

Und noch immer erscheinen neue Ausgaben. So ist erst 2004 eine Übersetzung in das Wendische und Sorbische erschienen. Und dieses Jahr hat er sich jetzt auch die Welt des Sports erobert, wie der vor wenigen Monaten erschienene „WM-Peter“ beweist.

Freuen wir uns daher über den Struwwelpeter und seine zahlreichen Gesellen. Möge er auch in dieser Ausstellung neue Freunde gewinnen.

Am Vorabend von Heinrich Hoffmanns 112. Todestag möchte ich Sie herzlich einladen: Lassen Sie sich von Struwwelpeter an die Hand nehmen und auf eine kleine Weltreise durch die Sammlung entführen.

Ich danke Ihnen

verf. v. Katrin Siebler Sept. 2006